von Robert Klatt •
In der südchinesischen Stadt Guangzhou können Bürger anstatt eines Personalausweises ihre WeChat-ID verwenden. Nimmt damit die Zensur und die Kontrolle weiter zu?
Anstelle ihres normalen Ausweises sollen Bürger von Guangzhou sehr bald die ID-Funktion von WeChat benutzen können, um sich bei Behördengängen, Hotel-Anmeldungen, Onlinekäufen und anderen Vorgängen zu identifizieren. WeChat ist der führende Messanger im Reich der Mitte. Im Gegensatz zu WhatsApp ist sein Funktionsumfang jedoch wesentlich größer. Besonders WeChat Pay wird im Alltag auch offline regelmäßig zum Bezahlen eingesetzt. Ob WeChat-ID ähnlich erfolgreich sein wird, wird der bald startende Testbetrieb zeigen.
Laut einem Bericht der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua wurde das Pilotprogramm im Regierungsbezirk Nansha gestern gestartet. Nachdem die Autorisierung per WeChat-ID in der Provinz von Guangdong erprobt wurde, soll sie bereits ab Januar über den Rest des Landes ausgerollt werden. Tencent der Konzern hinter WeChat arbeitet hierfür eng mit dem Ministerium für öffentliche Sicherheit und anderen staatlichen Stellen zusammen. Die Behörden erhalten durch die verstärkte Kooperation vermutlich noch stärkere Zensur- und Kontrollmöglichkeiten über die Bürger des Landes.
Die Provinz Guangzhou hat einen Teil der öffentlichen Dienstleistungen bereits seit längeren per WeChat bereitgestellt. Bürger können per Mini-App beispielsweise beim Volksgericht von Guangzhou relevante Fallinformationen, Akten und andere Gerichtsdaten abrufen. Der Zugang soll zu erleichtert werden.
Zukünftig soll das Feature WeChat-ID in zwei Versionen verfügbar sein. Die einfache Mini-App Variante ermöglichte eine simple Identifikation von Privatpersonen. Nutzer müssen dazu mit der Handy-Kamera ein Foto von sich machen und erhalten dann ihre Identifikationsnummer.
Die erweitere Version die beispielsweise für Gewerbeanmeldungen verwendet werden kann hat eine deutlich strengere Authentifizierung. Sie benötigt anfangs eine Registrierung über sichere Terminals die bei der Polizei vorhanden sind. Ein KI-System überprüft dann die angegebenen Daten bei den Behörden auf Richtigkeit.
WeChat kann mit der Zusammenarbeit mit der chinesischen Regierung die Rolle als führender Messanger-Dienst, die bereits ein Quasi-Monopol ist, weiter ausbauen und festigen. Tencent gilt aufgrund seiner starken Verflechtung mit der Regierung schon fast als Staatsunternehmen. Aufgrund des Schutzes und der Kooperation der Regierung laufen die Geschäfte seit Jahren mehr als gut. Der Börsenwert von mehr als einer halben Billion Dollar hat das Unternehmen inzwischen vor den Onlinehändler Alibaba katapultiert. Die aktuelle Marktkapitalisierung lässt Tencent bereits mit den US-Technologieriesen Amazon und Facebook konkurrieren.